Das Kleinod der Unterscheidung  
      
Zur Poesie in den Arbeiten von Harald Häuser
 
Erinnern Sie sich an jene 18 kleine Tuschezeichnungen des Meisters Asger Jorn aus dem Jahre 1957?
Oder an das, was Bryon Gysin in Tanger über die Struktur und das Licht herausgefunden hat? So ist das nun einmal - gute Kunst findet ihre Heimat immer wieder in irgend einem Sklaven.
 
Harald HäuserEine über Jahrhunderte vorherrschende einseitige Sichtweise bei der Betrachtung und der Erfassung von Wirklichkeit hat bisher nur bei wenigen die Vermutung aufkommen lassen, es könnte tatsächlich ein Denken und ein Gestalten möglich sein, welches unsere westliche Vernunft aus Kant und Hegel mit einem anderen Bild überwölbt. Wie ein Himmel und ein Schildkrötenpanzer.
Alles, was nicht Rationalität, Begriff oder Gegenstand ist, wird als unwürdig und als Bild-unwürdig in den Bereich des Beliebigen und Belanglosen verwiesen, schlimmstenfalls als psychische Spekulation, bestenfalls als verschwommene Mystik.
Dieser einseitigen Abgrenzung und der zugleich ausschließlichen Verwaltbarkeit des Materiellen, welches sich besonders in bargeldlosen Bankgeschäften, seelenloser Technologie und suggestiven Fortschrittsparolen zu erkennen gibt, setzt Harald Häuser ein Kleinod der Unterscheidung entgegen.

Von Anfang an hat Harald Häuser, ein unbeirrbarer Ästhet in Stil und Tempo in ein permanenter Zweifler an Normen der Kunstgeschichte, die Mängel des begrifflichen Denkens mittels seines impulsiven Werkes in Frage gestellt.
Er hat es gelernt und verstanden, Äquivalenzen zu unseren abendländischen Termini der Sprache in Bildern zu Handhaben, sie darzustellen und sich von ihnen wieder zu distanzieren.
Diese Absage an eine vorherrschende Wirklichkeit übersetzt Harald Häuser weiter in eine Gedanken- und Gestaltungsform die hinter der Materie liegt. Bei seinen Bildern handelt es sich um übersetzte Termini für die eine Entsprechung in unserer Sprache und in unserem begrifflichen Denken kaum zu finden ist. Wir müssen daher auf eine vorhandene, aber inhaltlich belastete Bildbetrachtung zurückgreifen.
die Kernphysik hat längst den Nachweis erbracht, dass sich die Subatomaren Bausteine der Materie, so genannte Elementarteilchen, im Unvorstellbaren verlieren. Ebenso verlieren sie sich im Unbegreifbaren, wie auch im Greifbaren und im Unsichtbaren. Selbst die Allgemeingültigkeit mancher Kausalgesetze ist durch dir Physik widerlegt oder ad Absurdum geführt. Ursprung und Gegenwart sind eindeutig relativ. Lediglich die Zukunft hat eine unausgesprochene Gewissheit darin, dass sowohl die Materie unseres Daseins als auch die Materie unseres irdischen Planeten einem absehbaren Ende unterliegen.
Harald Häuser weist seinerseits immer wieder darauf hin, dass es sich dabei um einen vermuteten Zeitraum von Millionen von Jahren, wenn nicht gar um "150 Milliarden" Jahre handelt.
Daher kann das Leben und das Werk eines Künstlers durchaus jenseits aller Dualitäten beheimatet sein. Der künstlerische Esprit distanziert sich sowohl vom rationalen begrifflichen Denken als auch von einem Ausschluss der Realität, sobald Gefühle eintreten. Er ist den Begriffen mit allen Sinnen verbunden und verpflichtet.
Das bedeutet rücksichtslos experimentell und empirisch in einem zu sein. Ein achtsames Publikum wird jedoch feststellen können, dass die Unbeteiligtheit dieser Aussagen und die Forderungen in den Bildern von Harald Häuser stets eine integrierende Form und Gestaltung einnimmt.

Wir erkennen Aufzeichnungen von Fragestellungen und das Dokument einer Zeit, die Älter ist als unsere kurzfristige Einmischung in die Evolution. Dies hat durchaus mit Zen zu tun, gerade weil Zen nicht das Geringste mit Mystik aber sehr viel mit scharf geschliffenem Denken zu tun hat.
Bilder bedürfen also der Wachheit eines Betrachters, damit sie rationalen Begriffe nicht übersehen werden, die das Bild intuitiv bereits gefunden hat. Wenn dies gelingt, beschreibt die Kunst in einer allgemeinverständlichen Sprache die gleiche Erfahrung, von der ich annehme, dass sie sich von der Erleuchtung eine Gutama Buddha unter einem Bodhi-Baum nicht wesentlich unterscheidet.
Ich zweifle nicht daran, dass Harald Häuser auf diesem Weg ist. Und wenn es auch wenig Beweise für oder gegen den Ursprung der Zeit gibt, so scheint es mir doch, als ob die Arbeiten von Harald Häuser glaubhaft diesen Ort gefunden haben.
Die Komplexität mit der Termini in diesem Zusammenhang ihre Verwendung als ein Bild übersetzen, könnte unsere Augen das Gleichgewicht verlieren lassen, wäre diese achte Stufe nicht offensichtlich eine Folge der sieben Vorangegangenen.

Das Back to the Roots, das Zurück-zu-den-Wurzeln und Ursprüngen, das Zurück-zu-den-Codes ist nicht allein ein Rückgriff auf die Basic Tapes, auf jene Grundlagen und Anfänge im Werk, sondern auch ein Verweis auf das Möbius-Band, auf eine Endlosschleife der Zeit.
Geschichtliche und chronologische Bedeutungen könnten darin von relativ geringer Wichtigkeit sein, es sei denn für eine beschränkte Anzahl von Gelehrten.
Aus ganz ähnlichen Gründen beschreiben die Bilder von Harald Häuser ihren Anklang an das Hin- und Hergerissensein im Verlangen danach, die Verantwortlichkeit in unserer Existenz bis auf den Grund zu erkennen.
Auf den ersten Blick müssen diese Bilder daher paradox erscheinen, dass sie jegliche erklärbare Betrachtung befremden. Zum einen will und das Bild weis machen, es sei alles unteilbar. Zum anderen behauptet das Bild, der Gegenstand sein zweifelsfrei ein Gegenstand, der Mond sei zweifelsfrei der Mond, ein nasser Hund unzweifelhaft ein nasser Hund und ein in Bewegung versetztes Zeichen sei lediglich eine Bewegung.
Äonen vielfältiger Daseinsformen, die notwendigerweise mit Schmerz und Ungewissheit verbunden sind, durchweben die Leinwand. Harald Häuserrichtet entschlossen alle Kraft der Farbe darauf aus, das begriffliche Denken zu übersteigern und im intuitiven Wirken das zentrale Erlebnis der Erleuchtung zu erfassen. Des Weiteren behaupten eine Bilder diese Erfahrung sei sowohl plötzlich als auch radikal vollständig.

Eine Erkenntnis von Angesicht zu Angesicht, von Mensch im Angesicht zu den Partikeln und der Energie der Farben offenbart sich so in Bruchteilen eines Augenblicks. Um dies zu erlangen, genügen Harald Häuser weder nomadische Heimatlosigkeit noch logische Vollkommenheit. Für Harald Häuser muss sich ein Bild über alle Gegensätze hinweg erheben. Der eintritt in Etwas, das man niemals verlasen hat. Letztlich eine absolute Unmöglichkeit.
Wenn der Raum überschritten ist, besagen Begriffe wie Ganzes oder Teile nichts mehr. Was wir erblicken ist das Wesen aller Bilder als ein Bild. Das zu Sehende als das Geschehene, in dem das Auge sich selbst erblicken kann. Ein überwältigender Moment. Mit der immer wieder gleichen Aussage: Dass es vergeblich ist, dies in Worten auszudrücken. Die Farbe liegt jetzt unendlich weit jenseits des höchsten Punktes der Materie. Ein Ort, der dem menschlichen Verstand nur in der Kunst des Betrachtens zugänglich ist.
Und möglicherweise eine gelegentlich humorvolle Art und Weise von Harald Häuser, das widerspruchsvolle Dasein von dem Betrachter selbst bezeugen zu lassen. Dadurch wird auch klar, dass ein Künstler die Kunst als eine alltägliche Verhaltensweise im Leben ansehen muss.
Mehr als einmalhat Harald Häuser mir erklärt, dass Farbe nicht wirklich Materie sei und dass wir irren, in einem Bild etwas anderes als einen vorübergehenden Zustand begreifen zu wollen.
Trotzdem musste in meinen Ausführungen irgendeine Semantik benutzt werden - und das Museum of Extinct Species war ja von W.S. Burroughs bei unseren Vorgängern schon hinreichend eingeführt.
Und natürlich ist die Bezeichnung Erleuchtung irreführend, wenn wir nicht alle vorgefassten Meinungen aufgeben, wie Harald Häuser es von und verlangt.
 
(Wolf Pehlke, 2003)
    

Weiteres zur Ausstellunge 'Malerei' von Harald Häuser
 
Vorwort
Auswahl einiger Werke