Erich Radscheit

von Claus Hilschmann
 
      
Erich RadscheitErich Max Radscheit

(* 8. Juni 1911 in Gelsenkirchen, + 11. April 2008 in Gröbenzell bei München)
Er war ein deutscher Maler und Grafiker, dessen Werke von surreal und abstrakt bis informell reichen.

Vom Menschlichen inspiriert, sind seine Werke geprägt durch Fixieren, Verwandeln und von stetem Revidieren seiner Wahrnehmungen. Alles Körperliche wird auf sein Innerstes und das Dahinter untersucht. Konfiguration und Ambivalenz gleichermaßen reizen ihn zunächst figural. Wenn sie erst strukturiert und konturiert und zu Schemen und Chiffren verwandelt sind, scheinen sie vor fortwährender Veränderung sicher – unangreifbar.


Leben
Als erster von zwei Söhnen einer aus Ostpreußen stammenden Bergmannsfamilie wächst er in Gelsenkirchen in einer Baptisten-Gemeinde auf. Zunächst beginnt er eine Lehre als Dekorationsmaler, wird aber bereits im Alter von 17 Jahren aufgrund seiner künstlerischen Begabung in die Folkwangschule, Essen aufgenommen. Von 1928 bis 1933 sind dort Max Pfeiffer-Watenphul, Josef Urbach, Max Burchartz und Karl Rössing seine Lehrer. Nach einer Beteiligung an der Altstadtsanierung der Stadt Duisburg gelangt er an die Kunstakademie Düsseldorf. Hier und an der Landakademie Kalkar bei Max Clarenbach, Julius Paul Junghanns und Franz Radziwill sowie an der Landakademie Schloss Rindern bei Otto Coester besucht er nun von 1934 bis 1938 die Klasse für freie künstlerische Gestaltung.

Nach kurzer freiberuflicher Tätigkeit wird er 1940 zum Wehrdienst eingezogen. Die Folgejahre bis zur Entlassung aus russischer Gefangenschaft 1947 werden zur bitteren Zäsur. Zudem vernichtet ein Luftangriff auf Düsseldorf in der Nacht vom 11. auf 12. Juni 1943 seine Wohnung und sämtliche dort gelagerten Arbeiten. Wenige Porträts und Skizzen bleiben ihm.

Am Beginn eines zweiten Lebensabschnitts steht die Gründung eines Ateliers für Produktdesign und Werbung 1948, das er bis 1975 betreibt. Hatte er bis dahin zwar unabhängig, aber nur an Wochenenden der Kunst gefrönt, wirft er nun jegliche berufliche Verpflichtung ab. Die künstlerische Tätigkeit wird ihm zum unwiderruflichen Lebensinhalt auf weitere rund 30 Jahre.

Er war genügsam, nahm alles, wie es kam, trug es mit Gelassenheit, ja Heiterkeit, überstand es und ging mit einer Art Freiheit daraus hervor. Auch wenn er als Künstler den Beifall genossen hat, war er ein Dulder und frei von Selbstgefälligkeiten. Nichts ist für Erich Radscheit bezeichnender, als dass er über seine Arbeiten nicht redete. Statt dessen hat er Fragen dazu mit gewissenhafter Unablässigkeit aufgesogen. Gerade diese Zurückhaltung war es wohl, dass ihn ein großer Kreis von Freunden umgab. „Er war eine Einzelerscheinung“, wie schon sein Lehrer Prof. Otto Coester über den jungen Studenten sagte, „mit einem erstaunlichen Maß von Freiheit und Unverführbarkeit …“

Werke
Öl, Acryl und Mischtechnik:
Die Themen, die er umspinnt, sind von breiter Vielfalt und umkreisen grundsätzlich das Motiv Mensch, manchmal fast zwanghaft – auch in Serien ähnlicher, verwandter Bildlösungen – menschliche Konfigurationen mit Hinzunahme von Landschaftlichem, Pflanzlichem, Tierischem, im komplexen Verbund oder verbundenem Komplex im Doppelsinn ihrer Begrifflichkeiten.
Die Unbestimmbarkeit von Ort und Zeit in seinen Bildern – Hinter- und Untergründe sind überwiegend monochrom gehalten – erhöhen ihre expressive Eindringlichkeit.
Im Spannungsfeld teils skurriler, schwermütiger, manchmal auch heiterer Charaktere sucht und entwickelt Erich Radscheit poetische, lyrische, oft dramatische Gestalten und Gestaltungen.
Seine Befragung des Sichtbaren oder kontemplativ Vorstellbaren gleicht einem gedanklichen und gestalterischen Abenteuer, das in sinnlich präsenten Metaphern und in der Durchdringung von Realität und Phantasmen endet. (Gunnar Leyendecker)

Gouachen:
Um den Maler Erich Radscheit würdigen zu können, studiert man sein Werk am besten nicht nur in den repräsentativen Großformaten, sondern auf den Übungsfeldern, die den Künstler oft risikofreudiger und mutiger erleben lassen. Erich Radscheit hatte sich dazu die kleinformatigen Gouachen auserkoren, die ihm eigentlich als Entwürfe und spontane Niederschrift bildnerischer Ideen dienen sollten, sich aber dann zu einem eigenständigen Werkkomplex entwickelt haben. In seinem Nachlass finden sich gut 250 dieser Blätter, ein unerlässlicher künstlerischer Erfahrungsschatz, der den Charme des Flüchtigen mit der Konsequenz des Gültigen verbindet. (Rainer Braxmaier)

Radierungen:
Diese Arbeiten sind eine kleine Sensation. Denn es sind Bilder, die von einer unbändigen Lust am Sehen und Entdecken, am Drang, Zusammenhänge in einfach lesbare Bildsprache zu verwandeln, zeugen, die den Betrachter staunen lässt. (Rheinische Post, 9. Oktober 1993)

Publikationen:
  • Erich Radscheit, Ibiza, 12 Skizzen, Mappe mit Siebdrucken, 1977.
  • Graphein, Hommage à Otto Coester, Katalog zur Ausstellung 20.08.–24.09.1989, Bahnhof Eller.
  • Erich Radscheit Gouachen, 1979–1992, Katalog, Thema media GmbH, München 1992.
  • Erich Radscheit, Katalog zur Ausstellung 22.03.–11.05.2007, Vossius & Partner, München 2007.
  • Erich Radscheit, Katalog zur Ausstellung 12.06.–09.08.2015, Galerie Titus Koch, Schloss Randegg, Gottmadingen, Thema media GmbH, München 2015.
  • Experimentelle, Kataloge zu den Ausstellungen auf Schloss Randegg, Gottmadingen 1995, 1996, 1997, 1998, 2008, 2010, 2012, 2014.

Ausstellungen
1952–75  Diverse Atelier-, Event- und Jahresausstellungen
1976     Galerie Thema 1, München
1984     Galerie Sombers, Haan: Collagen und Radierungen
1988     Landesfinanzschule Haan: Gouachen
1992     Kulturbahnhof Eller, Düsseldorf: 100 Gouachen
1994     Atelier Przygoda & Hoppenhaus, Köln: Acrylmalerei und Druckgrafik
1995     Experimentelle, Schloss Randegg, Gottmadingen
1995     Haus Hildener Künstler, Hilden: Acrylmalerei und Grafiken
1996     Experimentelle, Schloss Randegg, Gottmadingen
1996     Landesfinanzschule Haan: Haaner Künstler
1997     Gesamtwerk, Ausstellung in der Landesfinanzschule, Haan
1997     Experimentelle, Schloss Randegg, Gottmadingen
1997     Kulturbahnhof Eller, Düsseldorf: 100 Acrylmalerei
1997     Galerie SK, Museum Baden, Solingen
1998     Kunst und Kommunikation, Bochum: Malerei
1998     Experimentelle, Schloss Randegg, Gottmadingen
2001     Pumpstation Haan
2004     Dauerausstellung Thema media, München
2006     Galerie im Bürgerhaus, Gröbenzell
2007     Vossius & Partner, München: Gemälde, Icons und Gouachen
2008     Dauerausstellung, Internationale Verlagsagentur Claus Hilschmann, Gröbenzell
2008     Experimentelle, Kulturwerkstatt Meierhof, Randegg, Niederösterreich
2010     Experimentelle, Schloss Randegg, Gottmadingen
2012     Experimentelle, Schloss Randegg, Gottmadingen
2014     Experimentelle, Bas Schussenried
2015     Galerie Titus Koch, Erich Radscheit – Das Werk, Schloss Randegg, Gottmadingen, 12.06.–09.08.2015.

Weiteres zur Erich Radscheit und zur Ausstellung

Wissenwertes kurz und knapp 
ALLES VERSINKT UM MICH. ERICH RADSCHEITS BILDERWELTEN, von Andreas Burmester
FIGUREN, GRÜNDE UND ZWEI KÜSSE, von Albert Kümmel-Schnur
ERICH RADSCHEIT, DER MALER, von Rainer Braxmaier
Vita von Erich Radscheit
Auszüge aus dem Katalog (Auswahl einiger Werke)
Vernissage und Rundgang durch die Ausstellung

Downloads

Essay: ALLES VERSINKT UM MICH. ERICH RADSCHEITS BILDERWELTEN, von Andreas Burmester 
Essay: FIGUREN, GRÜNDE UND ZWEI KÜSSE, von Albert Kümmel-Schnur
Essay: ERICH RADSCHEIT, DER MALER, von Rainer Braxmaier
Vita von Erich Radscheit